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Hilfe! Mein Manuskript hat Corona!
Wie die Corona-Krise den Alltag der Autor*innen beeinflusst und wie sie sich auf die Buchverkäufe auswirkt, habe ich gestern bereits im ersten Teil der kleinen Reihe "Coronavirus aus Autorensicht" erläutert. Du findest ihn hier: Autor*innen in der Corona-Krise.
Aber manch Autor*in stellt in den letzten Tagen fest, dass das Virus selbst vor unseren Texten nicht Halt macht. Denn viele fragen sich, ob man jetzt in seiner Geschichte Bezug auf die aktuelle Lage nehmen sollte? Es gibt ja genau zwei Möglichkeiten für das Setting einer Story: Entweder man schreibt eine "Anytime, anyplace"-Geschichte, bei der das Setting bewusst nicht konkretisiert wird. Das sind die Bücher, die an Orten spielen wie: "Das Dorf lag von der nächstgrößeren Stadt etwa zwei Autostunden entfernt ..." Hier erfährt man beim Lesen nicht, wo genau die Geschichte nun spielt und es ist in den meisten Fällen auch vollkommen egal, denn es wird bewusst vage gehalten, um eine möglichst große Allgemeingültigkeit bzw. Zeitlosigkeit der Story zu erreichen.
Was aber, wenn deine Geschichte dahingehend sehr konkret ist? Weil sie zum Beispiel im Frühjahr 2020 auf Mallorca spielt. Da kann man ja jetzt schlecht hergehen und vom Start der Urlaubssaison auf der Insel schreiben, von vollen Bars und Restaurants und dem Traummann, den man am Strand kennen lernt, wenn in der Realität alle Strände geschlossen sind und eine strikte Ausgangssperre herrscht. Solltest du also nun das Corona-Virus in dein Manuskript einbauen?
Aktuelle Corona-Pandemie ins Manuskript einbauen?
Wenn du noch ganz am Anfang deines Buchprojekts stehst, könntest du noch mal neu plotten und die aktuelle Situation in deinem Setting aufgreifen. Vielleicht ergeben sich daraus ja sogar ganz neue Ansätze und überraschende Plot-Twists, weil es den Protagonisten durch die Ausgangssperre nicht ohne Weiteres möglich ist, sich zu treffen und sich ihnen dadurch ganz unerwartete Probleme in den Weg stellen. Das gilt natürlich auch, wenn du schon mitten im Manuskript steckst und bemerkst, dass es sich aber trotzdem ganz gut einbauen lässt.
Für einige Manuskripte bedeutet es aber wohl den Todesstoß, weil die Story an sich plötzlich nicht mehr funktioniert. Eine junge Deutsche, die im März 2020 in die USA aufbricht, um ihre Stelle als Au-Pair anzutreten, wird dir mit Sicherheit von den Lesern als "unglaubwürdig" um die Ohren gehauen. - Glaubst du nicht? Weil es nur eine Geschichte ist, die ja nichts mit der Realität zu tun hat. Du hast sie dir ja nur ausgedacht und in der Welt deines Buchs gibt es das Virus einfach nicht, schließlich bist du als Autor*in hier der Boss, das ist dein Manuskript und du darfst das. In Bezug auf historische Romane, Fantasy oder Sci-Fi ist diese Einstellung auch absolut okay. Aber wenn deine Geschichte im Hier und Jetzt spielt, solltest du dir sehr gut überlegen, dein Manuskript anzupassen, wie das folgende Beispiel beweist:
Um mal etwas Anderes als die ewigen Nachrichten und Corona-Sonderberichte zu sehen, habe ich gestern Abend vorm Fernseher durch die Kanäle gezappt und blieb bei "Wer wird Millionär" hängen. WwM geht ja eigentlich immer und der Kandidat auf dem Stuhl war witzig. Das Publikum applaudierte über einen gelungenen Gag und ich sage noch zu meinem Mann: "Man erkennt direkt, wie aktuell eine Sendung ist", denn die Anwesenheit eines Publikums teilt Spiel-, Quiz- und Talkshows glasklar in die "Vor-Corona" und "Nach-Corona"-Zeit, bzw. richtigerweise eigentlich "Während-Corona"-Zeit.
Plötzlich eine Einblendung am Bildschirmrand, es handele sich um eine aufgezeichnete Sendung. - Ach was?! Sollte ja eigentlich Jedem klar sein ... Aber offensichtlich nicht, denn die Einblendung verrät uns, dass sie geschaltet wird, damit die Zuschauer nicht beim RTL angerufen oder eine Email schreiben, um sich zu beschweren, weil die da mit Publikum senden ... Sprich: Es fällt sofort auf. Auch Menschen, die zu nah bei einander stehen, als die aktuell gültigen 1,5 Meter, oder die sich zur Begrüßung umarmen, fallen einem nach wenigen Wochen Social Distancing bereits ins Auge.
Was kannst du also tun, um dein Manuskript vielleicht doch noch zu retten?
1. Zeit der Handlung verschieben
Die leichteste Möglichkeit ist natürlich, einfach den Zeitraum der Handlung zu verschieben. Kann deine Geschichte vielleicht auch 2019 oder 18 geschehen sein? Wenn ja: Fein! Ändere die entsprechenden Daten und alles ist gut. Aber Achtung: Solltest du, wie ich, gerne Bezug auf aktuelle Dinge nehmen, wie zB. "Im Radio lief der neue Song der Band XY", dann solltest du darauf achten, dass das Lied zu dem Zeitpunkt schon veröffentlicht war und musst ggf. auch deine Playlist zum Buch anpassen. Das sollte ohne größere Schwierigkeiten zu bewerkstelligen sein und die Leser*innen danken es dir vielleicht, dass du sie mit deiner Geschichte in eine Zeit vor Corona entführst, in der noch alles so herrlich normal war ...
2. Aktuelle Lage in die Handlung einbauen
Eigentlich wollte die Heldin ja nach Ibiza fliegen, aber das Virus hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht? Vielleicht ist sie ja auch während ihres Sprachurlaubs auf Malta gestrandet. Selbst in deiner ursprünglichen Geschichte bieten sich unzählige Möglichkeiten, die aktuelle Situation einzubauen. Wenn du dafür vielleicht nur ein oder zwei Kapitel ein wenig umschreiben musst und die Story funktioniert immer noch oder vielleicht sogar besser, bietet dir das interessante Chancen. Indem du das Virus thematisierst, verleihst du deiner Geschichte Aktualität und Glaubwürdigkeit. Leser*innen finden es spannend, zu erfahren, wie das Virus das Leben deiner Hauptfiguren auf den Kopf stellt und in ein paar Jahren ergibt sich daraus eine Erinnerung für die Leser*innen: "Ach ja, stimmt, damals saßen wir alle zu Hause und es gab kein Klopapier mehr ..."
Genau wie die Mondlandung oder der Mauerfall wird auch die Corona-Pandemie in das Gedächtnis der Menschen eingehen, die sie erlebt haben. Deine Story wird also realistischer und "echter", wenn du das Virus erwähnst.
Andererseits hängt das natürlich auch davon ab, wie lange sich der Shutdown und die Pandemie noch hinziehen. Wie es aussieht, wohl noch eine ganze Weile, die Einschätzungen der Experten gehen da teilweise weit auseinander. Von "bis in den Sommer" bis zu "bis nächstes Jahr" ist alles dabei. Also gehen wir mal davon aus, dass sie uns auf jeden Fall bis zum Sommer begleiten wird. Im Sommer schreiben Autor*innen meist an ihren Weihnachtsromanen. Ob das Virus dann aber immer noch ein Thema ist, weiß man nicht.
Das spräche wiederum dafür, lieber "zeitlos" zu schreiben.
3. Veröffentlichung verschieben
Wenn alle Stricke reißen und sich weder die Zeit ändern lässt, zu der die Geschichte spielt, noch das Virus in die Handlung einbauen lässt, bleibt immer noch die Möglichkeit, darauf zu hoffen, dass sich die Lage entspannt und wir alle zur Normalität zurückkehren. Davon mal abgesehen, dass jetzt vielleicht einfach nicht die richtige Zeit für dein Buch ist, verschieben gerade viele Verlage ihre Veröffentlichungen.
Das liegt natürlich darin begründet, dass sie fürchten, das Buch könne ein Flop werden, wenn sie es in der derzeitigen Lage auf den Markt brächten. Landesweit haben alle Buchhandlungen geschlossen und das Geschäft findet, mit großen Einschränkungen, über das Internet statt. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten solltest du also abwägen, ob es sich jetzt gerade lohnt, dein Buch überhaupt zu veröffentlichen. Den meisten Selfpublishern dürften die geschlossenen Buchhandlungen vermutlich nicht weiter auffallen, denn wir sind nur sehr begrenzt im stationären Buchhandel vertreten. Der Großteil unserer Buchverkäufe findet sowieso in Form von eBooks im Netz statt. Aber auch das läuft nicht mehr ganz reibungslos, wie noch vor Corona, wie ich bereits gestern erörtert habe. (Klick hier zum Artikel: Autor*innen in der Corona-Krise)
Deshalb solltest du dir, gerade als Selfpublisher*in, genau überlegen, ob es Sinn macht, dein Buch jetzt herauszubringen, oder den Release zu verschieben, bis sich die aktuelle Lage entspannt hat. Andererseits wirken sich insgesamt schwache Buchverkäufe unter Umständen positiv auf dein Ranking aus, da du mit weniger Verkäufen eine bessere Position erreichen kannst.
Fazit:
Die Frage, ob ein Release zum jetzigen Zeitpunkt Sinn macht, weil jetzt vermehrt eBooks gelesen werden, oder ob du ihn, wie die großen Verlage, lieber verschieben solltest, lässt sich vermutlich nur mit einer Glaskugel beantworten. Das Einzige, das hilft, ist, im engen Austausch mit unseren Kolleg*innen zu bleiben. Stell Fragen. Lass dir berichten, wie sich bei anderen Autor*innen gerade die Verkaufszahlen entwickeln und wie ihr aktueller Release gelaufen ist. Natürlich lassen sich fremde Zahlen nie 1:1 auf die eigenen Verkäufe übertragen, denn da spielen viele Faktoren wie die Bekanntheit, die Anzahl der bisherigen Veröffentlichungen und die Sichtbarkeit in den Shops hinein. Aber aus den Erfahrungen Anderer lassen sich wertvolle Rückschlüsse für die eigene Situation ziehen.
Letztlich musst du also selbst entscheiden, ob und wie du die derzeitige Lage in deine Manuskripte einbaust.
Mehr zu den kreativen Möglichkeiten, die sich aus der aktuellen Situation ergeben, erfährst du morgen im dritten Teil der kleinen Reihe.
Bis dahin: Bleib gesund!
Liebe Grüße,
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